Uli Hoeneß, 50+1 und die Kommerzialisierung des Fußballs

Ein Gespräch mit Sportjournalist Max-Jacob Ost (u.a. Podcast Rasenfunk)

FC PlayFair! (Fabian): Was zeichnet für dich einen guten Podcast aus?

Max: Ich denke, die grundsätzliche Frage ist, was will man denn mit seinem Podcast machen? Dann zeichnet für mich die guten Podcasts aus, dass sie das erreichen, was sie versprechen. Informierende Podcasts sollen auch wirklich informativ sein, erzählende Podcasts sollen erzählend und spannend sein und solche die eigentlich gar kein klares Konzept haben, bei denen sollen wenigstens die Hosts sympathisch sein (lacht).

FC PlayFair! (Fabian): Wie sieht es denn bei 11 Leben aus, bist du glücklich über das, was ihr geschafft habt und ist es das geworden, was du dir vorgestellt hast?

Max: Es ist ganz anders geworden, weil ich nicht gedacht hätte, welchen Umfang das Ganze einnimmt. Ich halte mich eigentlich nicht so oft an Regeln, die sonst so gelten, wie beispielsweise die Folgenlänge. Aber bei 11 Leben dachte ich, dass ich das tun würde. Bis zur vierten Folge war es auch so, aber dann habe ich die fünfte Folge „Auf Leben und Tod“ geschrieben, in der der Flugzeugabsturz vorkommt. Im klassischen Storytelling hätte man nur den Flugzeugabsturz erzählt. Ich komme aber zu dem Schluss, dass neben der Tatsache, dass es ein ganz privates Erlebnis ist, es vielleicht im Leben von Uli Hoeneß gar nicht so die große Rolle spielt, wie man von außen immer denkt. Und da dachte ich, es wäre total komisch genau diese Info in eine Folge zu packen, in der es nur um diesen Flugzeugabsturz geht. Also habe ich in ihr noch mehr erzählt und die Längenvorgabe übertroffen: Die Folge wurde dann eineinhalb Stunden lang. Es war nicht so, dass alle sofort gesagt haben „Das klingt ja mega gut!“, sondern im Team von 11 Leben haben sich eher einige Sorgen gemacht, nach dem Motto „Oje, wie soll man das hören?“. Letztendlich haben wir dann aber gemeinsam festgestellt, dass das schon so passt und ab dem Punkt habe ich auf Dinge wie die Länge gar nicht mehr geguckt. Als ich sagte, die Steuerprozess-Folge wird wahrscheinlich drei Stunden dauern, da dachten zwei aus dem Team noch es wäre ein Witz, die anderen haben glaube ich schon gewusst, dass ich das ernst meine. Eigentlich widerspricht das allen Regel, aber ich bin genau mit diesen Folgen am zufriedensten. Bei den frühen Folgen hingegen, da würde ich im Nachhinein noch ein paar Sachen anders machen.

FC PlayFair! (Fabian): Hast du denn bei 11 Leben alle Antworten auf deine Fragen gefunden?

Max: Alle Antworten nicht, aber die meisten. Ich habe nun ein Bild von Uli Hoeneß, bei dem ich glaube, dass man das so stehen lassen kann. Vor allem jedoch habe ich verstanden, wieso die öffentliche Person Uli Hoeneß sowohl mich als auch viele andere fasziniert und das kann ich auch ganz gut erklären.

FC PlayFair! (Fabian): Was war denn das Überraschendste, was du bei der Recherche herausgefunden hast?

Max: Ich fand es eigentlich am überraschendsten, wie offen Uli Hoeneß immer schon darüber gesprochen hat, was er gerade mit dem FC Bayern macht. Er hat schon mindestens einmal pro Jahr ein Interview gegeben, in dem er die Strategie offengelegt hat, also welche Transferstrategie er verfolgt, welche Bedeutung Marketing spielt oder wie es mit TV-Rechten weitergehen wird. Es war nie ein Geheimnis, wie der FC Bayern sein Geld gerade verdient und genau das hätte ich vorher ehrlich gesagt nicht gedacht. Ich dachte immer er hätte erst in den 90ern rückblickend angefangen zu erzählen, wie er beispielsweise das Merchandising eingeführt hat, aber er hat schon von Tag eins an erzählt, wie er vorgeht, auch im Vergleich zu den anderen. Genau das fand ich tatsächlich überraschend.

FC PlayFair! (Fabian): Was sind die wichtigsten Fragen, die bei 11 Leben für dich noch offenbleiben?

Max: Das ist natürlich eine schwierige Frage, es gibt natürlich ein paar Detailfragen, bei denen Uli Hoeneß mir gesagt hat, er erinnert sich nicht mehr oder bei denen mir die Antwort nicht gefallen hat. Bei wichtigen Dingen scheinen dann manchmal Erinnerungslücken einzusetzen, das ist für mich natürlich sehr bedauerlich, verstehen kann ich es allerdings trotzdem.

FC PlayFair! (Fabian): Mir persönlich ging es hier sehr ähnlich, bei den Freundschaftsspielen rund um die WM 2006 beispielsweise. Hoeneß sagte hierbei im Interview, dass es keinen Zusammenhang zwischen den sehr gut bezahlten Freundschaftsspielen im Ausland des FC Bayern im Ausland und der WM 2006 gab, mir viel es da sehr schwer diese Aussage uneingeschränkt hinzunehmen.

Max: Zunächst muss man ihn natürlich beim Wort nehmen Allerdings ist es sehr interessant, dass jemand, der sonst immer alle Zusammenhänge erkennt und erklären kann, dann bei diesem einen Beispiel angeblich gar nicht so sehr an alles Drumherum gedacht haben soll. Es kann so gewesen sein, aber man kann es für sich persönlich auch anders interpretieren.

FC PlayFair! (Fabian): Warst du enttäuscht darüber, dass Uli Hoeneß im Interview nicht viel zu der Steueraffäre gesagt hat?

Max: Der Journalist in mir war enttäuscht, aber ich habe es ehrlicherweise erwartet, denn ich wusste, wie er bereits in anderen Interviews darauf reagiert hat. Gleichzeitig war mir auch bewusst, dass er zu dem Zeitpunkt, als das Interview schon fortgeschritten war, nicht noch zusätzlich auf diese Thematik eingehen will. Es ist irgendwo auch verständlich, da es das Thema ist, was für ihn am unangenehmsten ist, aber das muss man dann auch respektieren.

FC PlayFair! (Fabian): Bleibt bei dir vielleicht auch die Frage offen, was hinter den Millionenzahlungen von Dreyfus auf das Konto von Hoeneß steckt?

Max: Klar, das ist natürlich eine interessante Frage, ist das wirklich so, dass man sich in diesen Kreisen Millionen Mark leiht? Damit beginnen und enden viele der wichtigsten Fragen, was den Steuerprozess angeht, im Prozess selbst war das allerdings gar nicht so entscheidend. Es ist häufig in Prozessen so, dass nicht alle Fragen geklärt werden, sondern nur die, die wichtig sind, um eine Strafe festzusetzen. Das ist wahrscheinlich eine der Fragen, auf die wir nie eine andere Antwort finden werden als die, die Uli Hoeneß sagt.

FC PlayFair! (Fabian): Wie hat die Haftzeit in deinen Augen Uli Hoeneß verändert, ist von einer gewissen Demut nachhaltig etwas zu spüren?

Max: Was die Privatperson Uli Hoeneß angeht kann und will ich da gar nichts zu sagen. Von seiner öffentlichen Person her hat es ihn natürlich sehr verändert. Es ist hier jedoch nicht die Haftzeit, sondern vielmehr seine Verurteilung. Mit der Verurteilung wurden viele Themen, zu denen er sich früher gerne geäußert hat, unantastbar für ihn. Uli Hoeneß saß zum Beispiel vor seiner Steuerhinterziehung sehr oft in politischen Talksendungen und hat auch gerne über politische und wirtschaftliche Themen gesprochen. Mit seiner Verurteilung litt seine Glaubwürdigkeit, zudem ist er angreifbarer geworden. Wie soll Uli Hoeneß derartige Plädoyers noch machen, wenn er in einer zweistelligen Millionenhöhe Steuern hinterzogen hat?

FC PlayFair! (Fabian): Fluch oder Segen – Was war Uli Hoeneß für den deutschen Fußball?

Max: Ich glaube er war für den deutschen Fußball eher ein Segen als ein Fluch, denn viele der Entwicklungen, die gekommen sind, sind nicht wegen Uli Hoeneß gekommen. Vielmehr hat er diese Dinge auf die Bundesliga übersetzt und die anderen dazu gezwungen, zu reagieren. Auch weil er weniger Fehler gemacht hat als andere, hat er den FC Bayern zu der Dominanz gebracht, die er jetzt hat. Die grundlegenden Entwicklungen wären auch ohne Uli Hoeneß gekommen, sie hätten sich vielleicht nicht so auf einen Verein konzentriert, aber selbst darunter muss der Fußball nicht gelitten haben. Das Wort Segen ist zu viel, aber das Wort Fluch ist auch zu viel. Uli Hoeneß war der einflussreichste Manager der Bundesliga-Geschichte und über die gesamte Zeit hat er sehr viele Dinge angetrieben, auch solche von denen andere Vereine profitiert haben.

FC PlayFair! (Fabian): Glaubst du denn, dass die Bundesliga ohne Uli Hoeneß eine Top 5-Liga wäre?

Max: Ja, wahrscheinlich schon. Die Voraussetzungen in Deutschland sind unter anderem aufgrund des kulturellen Hintergrunds des Fußballs im europäischen Vergleich gut. Es kann sein, dass sich die Bundesliga anders entwickelt hätte. Der FC Bayern hat sich zusammen mit Hoeneß und anderen in eine Situation gebracht, wo er Fehler machen konnte, die nicht mehr bestraft wurden, beispielsweise Fehlgriffe auf dem Transfermarkt. Das hat kein anderer Verein auf Dauer so hinbekommen, das konnte nur der FC Bayern. Borussia Dortmund beispielsweise steht im Merchandising auch nicht so schlecht dar, allerdings wachsen sie in dem Bereich kaum noch. Die Bundesliga wäre aber sicherlich eine andere ohne Uli Hoeneß.