Englische Könige auf Eroberungskurs durch Europa

Nach über 20 Jahren Abstinenz in Englands höchster Spielklasse war es Ende Mai 2022 endlich wieder soweit – Nottingham Forest, einem der traditionsreichsten und ältesten Fußballklubs weltweit, gelang die Rückkehr in die Premier League. Ein Feiertag für Fußballromantiker also? Weit gefehlt. Denn es folgte ein für einen aufgestiegenen Fußballverein selten dagewesener Shopping-Marathon quer durch Europa. Mitunter wurden unangefochtene Stammspieler von Mannschaften abgeworben, die diese Saison in internationalen Wettbewerben vertreten sind. Am Ende der Transferperiode standen bei Nottingham Forest ca. 7 Mio. EUR Einnahmen aus Spielerverkäufen knapp 162 Mio. EUR Transferausgaben gegenüber.


Ökonomische Schieflage

Das oben genannte Beispiel ist kein Einzelfall, sondern steht viel mehr exemplarisch für die massive Kaufkraft der englischen Fußballvereine im europäischen Vergleich. Diese Diskrepanz lässt sich vor allem anhand zweier Einnahmequellen erklären. Auf der einen Seite stehen englische Fußballvereine seit Jahren bei Investoren aus aller Herren Länder hoch im Kurs. Derartige Investments lassen sich auch in Spanien, Frankreich oder Italien beobachten. Bei der Dichte an Investoren ist der englische Fußball jedoch führend, sodass sich auch kleinere, weniger ambitionierte Vereine der Premier League in fremden Mehrheitsbesitz befinden. Auf der anderen Seite sorgen die vergleichsweise hohen Einnahmen aus TV-Geldern für dieses Kräfteverhältnis. So lässt sich mit Blick auf die Transferbilanzen (Abb. 1) feststellen, dass die Premier League seit längerem deutlich mehr Geld für Spieler ausgibt, als durch Spielerverkäufe eingenommen werden.

Kumulierte Transferbilanz aller Vereine der letzten zehn Spielzeiten

Zur Spielzeit 2019/2020 konnte das finanzielle Zerwürfnis durch höhere Ausgaben der spanischen und deutschen Klubs auf der einen, sowie höheren Transfereinnahmen der Premier League auf der anderen Seite, verringert werden. Doch seit der Corona-Pandemie samt all ihrer finanziellen Nachwehen geht die Schere weiter drastisch auseinander. Im Transferfenster der Saison 22/23 konnte die Premier League dann ein absolutes Novum verzeichnen: Zum allerersten Mal gaben die 20 englischen Erstligisten mit ca. 2,25 Mrd. EUR mehr an Spielertransfers aus als ihre 56 Pendants aus Italien, Spanien und Deutschland zusammen. Richtig gelesen – zusammen.

Vereinsvertretungen ab den CL/EL-Halbfinalpartien seit der Saison 2013/2014

Schießt englisches Geld europäische Tore?

Inwiefern sich die Kaufwut an neuen Spielern für das Geburtsland des Fußballs im sportlichen Wettkampf ausgezahlt hat, soll mit Hilfe von Abb. 2 beleuchtet werden. Waren in den ersten Jahren des Betrachtungszeitraums englische Teams trotz ihrer deutlich höheren Transferbudgets nicht unbedingt erfolgreicher in Champions (CL) bzw. Europa League (CL), verzeichnet man seit der Saison 2018/2019 eine stärkere Vertretung der Premier League Klubs in Halbfinalen sowie Endspielen. Selbstverständlich haben auf diese Entwicklung mehr Faktoren Einfluss als die reinen Transferausgaben. Nichtsdestotrotz stellt sich die berechtigte Frage, ob die finanziellen Mittel der Klubs aus Manchester, London oder Liverpool am Ende in europäischen Titeln resultieren und wir, nach den sehr erfolgreichen spanischen Jahren, eine englische Dominanz im europäischen Spitzenfußball miterleben werden.
Als deutscher Fußballfan bleibt indes zu hoffen, dass die 50+1 Regel bestehen bleibt und die deutsche Einzigartigkeit in puncto Kapitalanlegern nicht der europäischen Wettbewerbsfähigkeit bzw. dem Ruf nach mehr Kapitalzufluss zum Opfer fällt. Und auch, dass Geld alleine kein Garant für sportlichen Erfolg ist. Die Eintracht aus Frankfurt hat es Fußballeuropa im letzten Jahr vorgemacht.