Schon alles rausgehauen?

Nachhaltigkeit jetzt Kriterium zur Lizenzierung – aber nur 14 von 36 Vereinen der 1. und 2. Bundesliga veröffentlichen bisher einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht! Die Vereine der 1. und 2. Bundesliga berichten auf der DFL-Seite „Bundesliga wirkt“ laufend über ihr gesellschaftliches und soziales Engagement. Wir schauten auch im April wieder genau hin: inwieweit werden die Bundesligavereine ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und Verantwortung gerecht? Welche der dort aufgeführten Aktionen sind besonders erwähnenswert?

Im Vergleich zum Rekordwert von über 100 Maßnahmen, die im März von den 36 Vereinen auf dem DFL Nachhaltigkeitsportal gemeldet wurden, kam es im April zu einem deutlichen Rückgang auf den üblichen Umfang von rund 60 Berichten. Hatten die Vereine im März alles rausgehauen, bevor die Unterlagen zur Lizenzierung für die nächste Saison eingereicht werden mussten? Zum ersten Mal ist die Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien Bestandteil der Lizenzerteilung.

Einige Aktionen bezogen sich noch auf die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ aus dem März, zu denen die DFL unter dem Claim „Stop Racism“ aufgerufen hatte. Auch die Erdbebenhilfe für die Türkei und Syrien geriet nicht in Vergessenheit. Sehr erfreulich, dass nach der ersten Nothilfe nun auch der Wiederaufbau vor Ort unterstützt wird. Hertha BSC Berlin und der Berliner AK nutzten die Länderspielpause für ein Benefizspiel, dessen Spendensumme den Bau von 25 Wohn-Containern in der von der Naturkatastrophe betroffenen Region Türkoğlu/Kahramanmaraş ermöglicht. Das entspricht einem festen Dach über dem Kopf für insgesamt 100 Menschen.

Auch der SV Sandhausen bestritt ein Benefizspiel gegen eine Auswahl des Fußballkreises Heidelberg, die SpVgg Greuther Fürth und der 1. FC Nürnberg sammelten in einer Gemeinschaftsaktion mit weiteren fränkischen Spitzensportvereinen Spenden für die Erdbebenhilfe des Fürther Frankenkonvoi e.V. im türkisch-syrischen Grenzgebiet.

Bei vielen sozialen Aktionen der Bundesligisten standen wie gewohnt die Kinder im Mittelpunkt – ob beim Osternesterbesuch der SpVgg Greuther Fürth im Kinderklinikum, inklusiven Fußballcamps verschiedener Clubs, Aktionstagen zur gesunden Ernährung beim SV Sandhausen oder dem „Familientag des herzkranken Kindes“ des FC Schalke 04. Die Knappen hatten auch eine nette Idee, ihren kleinen Fans die Tradition des Vereins nahezubringen und luden ihre Bolzplatz-Kids zu einer interaktiven Führung ins Bergwerk ein. „Besonders cool unter Tage war, die Maschinen selbst ausprobieren zu können und zu wissen, wie mein Opa sich damals als Bergmann gefühlt haben muss.“ Die Aktion kam offensichtlich gut an!

Im April steht der Frühjahrsputz an! Der 1. FC Nürnberg berichtet darüber unter der Schlagzeile „Auch die kleinen Dinge zählen!“ An vier Standorten in Nürnberg sammelten fast 100 Helfer*innen – Club-Fans, Spielerinnen und Spieler des FCN, Jugendteams, prominente Sportler und „Local Heroes“ aus den jeweiligen Vierteln- fleißig Müll. Knapp 50 volle Müllsäcke nach viermal 90 Minuten Sammeln stehen am Ende zu Buche. Auch beim SV Darmstadt 98 und dem VfL Wolfsburg trafen sich Spieler, Vereinsangehörige, Fans und Unterstützer zu Clean-Up-Aktionen.

Was geschieht eigentlich mit den übrig gebliebenen Lebensmitteln nach Bundesligaspielen? Der SV Werder Bremen und der 1. FC Köln haben hierfür unterschiedliche Lösungen gefunden. Werder-Fans können ab sofort über die App „Too Good To Go“ unverkaufte und überschüssige Lebensmittel des Caterers zu stark vergünstigten Preisen erwerben und damit vor der Tonne retten. Beim 1. FC Köln hat die Aktion „Helfen statt Entsorgen“ nach dem Heimspiel gegen Mainz ihre Premiere gefeiert. Mahlzeiten, die in den Businessbereichen des RheinEnergie Stadions übrigbleiben und bisher weggeworfen werden mussten, werden nun an Obdach- und Wohnungslose verteilt. Beide Initiativen zur Nachahmung empfohlen!

Der SC Freiburg wurde vom Bundesministerium für Verkehr und Digitales (BMDV) und einer Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte als „Fahrradfreundlichste Persönlichkeit 2023“ ausgezeichnet. Damit erhält zum ersten Mal ein Verein den Preis für seinen „außergewöhnlichen Einsatz für das Fahrrad“. Am Europa-Park Stadion finden die SC-Fans beste Bedingungen für das Fahrrad vor: Mit 3.700 Fahrrad-Stellplätzen gibt es dort 1.600 Plätze mehr für das Zweirad als für PKW – und damit mehr als bei jedem anderen Erstligisten. Nach aktuellen Zählungen fahren bis zu 5.000 Personen an den Spieltagen mit dem Fahrrad zum Stadion.

Im Laufe dieser Saison haben sich schon einige Vereine in Afrika engagiert. Wichtig, dass es hier nicht bei einmaligen Charity-Besuchen bleibt, sondern dass die Arbeit – vor allem mit Kindern – langfristig und nachhaltig angelegt ist. Für die Fußballschule des FSV Mainz 05 reiste Felix Müller, ehemaliger Spieler der U23, für zwei Wochen nach Kenia, um in der Hauptstadt Nairobi die begonnene Arbeit weiterzuführen. Zahlreiche kenianische Trainer konnten in verschiedenen Workshops weitergebildet werden und erstmalig durch die Leitung von Übungseinheiten mit Kindern das Erlernte auch praktisch umsetzen.

Erstmalig haben im April der SV Sandhausen und RB Leipzig ihre Nachhaltigkeitsberichte auf der DFL Plattform eingestellt und präsentieren sich sehr unterschiedlich, jeweils passend zu Struktur und Selbstverständnis: hier der eher regional verwurzelte „Dorfverein“ mit vielen konkreten Beispielen, dort der Konzern mit einer sehr ausgefeilten Methodik und Darstellung.

Der SV Sandhausen beruft sich auf seine Werte: bodenständig & traditionsbewusst, familiär & nahbar, vielfältig & respektvoll, authentisch & transparent, umweltbewusst & nachhaltig. Daran orientieren sich die Maßnahmen in den drei Bereichen Environment, Social und Governance, die im August 2022 von einem externen Dienstleister analysiert wurden. Vor allem der soziale Bereich erhielt gute Noten; Jugendförderung, Antidiskriminierungs- und Inklusionsarbeit stachen hervor und werden auch weiterhin im Fokus bleiben.

Der Nachhaltigkeitsbericht von RB Leipzig mit über 100 Seiten unter dem Titel „Play. Care. Share.“ wurde unter Bezugnahme auf die GRI-Standards 2021 erstellt, die Bezüge zum GRI-Index detailliert erläutert. Grundlage für die Strategie und eine Priorisierung aller Aspekte ist eine Wesentlichkeitsanalyse sämtlicher relevanter Nachhaltigkeitsthemen, die den Geschäftserfolg des Klubs beeinflussen. Bemerkenswert, dass das Themengebiet „Gesellschaftliche Verantwortung“ – ansonsten Schwerpunkt bei den Aktionen der Bundesligisten – keinen der 9 Schwerpunkte als Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse stellt. Hier stehen „Nachwuchsarbeit und sportlicher Erfolg“ sowie „Energie und CO2 Emissionen“ an vorderster Stelle. Sicherlich auch einer anderen Gewichtung der Stakeholder als bei den meisten anderen Vereinen geschuldet.

Positiv hervorzuheben, dass der Bericht sehr viele fundierte Daten zur Bestandsaufnahme enthält – der CO2 Fußabdruck im Jahr 2022 beträgt z.B 45.000 Tonnen – und eine Roadmap konkrete Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung in allen Bereichen enthält. Insgesamt ein sehr professioneller Bericht!

Die Verankerung der Nachhaltigkeit in den Lizenzierungsrichtlinien der DFL sollte eigentlich zur Folge haben, dass immer mehr Vereine einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht erstellen und auf der DFL-Seite „Bundesliga wirkt“ Fans und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Derzeit trifft das allerdings nur für weniger als die Hälfte zu: lediglich 14 der 36 Clubs der 1. und 2. Bundesliga sind hier mit aktuellen Berichten vertreten. Wann folgt der Rest? Wir werden berichten!