Interview mit Karoline Wacker

Karoline Wacker (32) ist seitdem sie 14 Jahre alt ist als Schiedsrichterin tätig. Mittlerweile hat sie Spiele der Frauen-Bundesliga, der Champions League sowie Länderspiele geleitet und ist eine der besten Schiedsrichterinnen Deutschlands. Mit Karo haben wir unter anderem über Respekt und Fairplay, die mediale Berichterstattung sowie über verbale und körperliche Gewalt gegenüber Schiedsrichter:innen gesprochen.

Das Interview führte Philipp Myrrhe.


FC PlayFair!: Zunächst erst mal vielen Dank, dass Du da bist und Du Dir für dieses Interview die Zeit genommen hast. Wie viele Spiele hast Du in diesem Kalenderjahr bereits gepfiffen?

Karo: Erst einmal Danke für die Interviewanfrage. Ich freue mich total, wenn sich jemand für uns Schiedsrichter*innen interessiert. Gerade auch, weil wir dieses Jahr das Leuchtturm-Thema „Schiedsrichter*innen“ vom DFB haben. Deshalb ist es super, wenn wir in einem Interview ein bisschen Werbung in eigener Sache machen können.

Als Schiri kannst Du davon ausgehen, dass du jedes Wochenende im Einsatz bist, sofern ein Spiel stattfindet. Seit der Winterpause hatte ich jetzt sechs, sieben Spiele geleitet, also jedes Wochenende ein Spiel.

FC PlayFair!: Seit über zehn Jahren bist du DFB-Schiedsrichterin, seit 2017 Fifa-Schiedsrichterin und seit letztem Jahr auch in der First-Kategorie. Was hat sich seit deiner Einstufung in die First-Kategorie für dich verändert?

Karo: Zum einen wird man natürlich oft darauf angesprochen. Es besteht also ein erhöhtes mediales Interesse. Zum anderen ändern sich die Spiele. Ich hatte in der Hinrunde einen Einsatz in der Frauen Champions League am vorletzten Spieltag der Gruppenphase.

FC PlayFair!: Du hast es gerade angesprochen. Du hast natürlich nicht nur Spiele der Champions League geleitet, sondern auch Länderspiele, Bundesligaspiele sowie Spiele der Regionalliga der Männer. Was war dein beeindruckendstes Erlebnis im Umgang mit dir in Bezug auf Respekt bzw. Fairplay?

Karo: Zum Thema „Fairplay“: Ich finde es grundsätzlich immer total wichtig, wenn ein Spieler oder eine Spielerin mich darauf aufmerksam macht, dass ich eine Fehlwahrnehmung hatte. Im Kleinen geht’s da mal um Einwurf oder Abstoß, ich hatte aber auch mal eine größere Entscheidung, die ist aber schon Jahre her. Da hatte ich auf Elfmeter entschieden und die Spielerin hat im Anschlusszugegeben, dass sie den Kontakt initiiert hat und nicht gefoult wurde. Daraufhin habe ich den Strafstoß zurückgenommen. Das ist natürlich etwas, was langfristig hängen bleibt und etwas, dass ich unfassbar an dieser Person wertschätze.

FC PlayFair!: Das ist beeindruckend! Hast du auch ein Gegenbeispiel, also eine Situation, die gar nichts mit Fairplay zu tun hat?

Karo: Was ich absolut nicht unter Fairplay verstehe, sind Situationen, in der Spieler*innen versuchen, mich auf eine falsche Fährte zu bringen. Seien das Schwalben, um zum Beispiel einen Strafstoß zu erhalten, aber auch dieses lange Liegenbleiben und eine Verletzung vorspielen, um Zeit zu schinden.

FC PlayFair!: Wir vom FC PlayFair! Haben in Zusammenarbeit mit der Votingplattform „FanQ“ und der Hochschule Heilbronn Anfang März eine Studie zum Thema „Mehr Respekt vor dem Schiedsrichter“ veröffentlicht, an der rund 2.200 Menschen teilgenommen haben. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, die Berichterstattung gegenüber Schiedsrichterinnen eher negativ bzw. überwiegend negativ wahrzunehmen. Wie nimmst du die Berichterstattung gegenüber Schiedsrichterinnen wahr?

Karo: Es ist total interessant. Mein News-Feed ist regelmäßig voll mit Videos von Fehlentscheidungen, die überwiegend negativ behaftet sind. Ich habe den Eindruck, dass generell eher über Fehler diskutiert wird, als das eine richtige Entscheidung positiv hervorgehoben wird. Dies könnte damit zusammenhängen, dass von uns Schiris grundsätzlich erwartet wird, dass wir immer die richtige Entscheidung treffen. Das bezieht sich aber nur auf schriftliche Beiträge. Ob das in TV-Übertragungen auch so ist, da möchte ich mir kein Urteil erlauben.

FC PlayFair!: Bleiben wir mal bei unserer Studie. Rund 58% der Befragten gaben an, Gewalt im Umgang mit Schiedsrichter*innen bereits erlebt zu haben. Hast du bereits körperliche oder verbale Gewalt auf dem Spielfeld erfahren?

Karo: Da müssen wir klar zwischen körperlicher und verbaler Gewalt unterscheiden. Körperliche Gewalt habe ich zum Glück noch nicht erleben müssen. Weder als Zuschauerin noch als Beteiligte. Verbale Gewalt, hauptsächlich Sexismus gegen mich als Frau, habe ich schon mehrmals erlebt. In den höheren Ligen bekommt man es weniger mit, weil da mehr Zuschauer sind und es dann „im Großen“ untergeht. In den unteren Ligen erlebe ich das schon regelmäßig. Vor ein paar Wochen habe ich ein Spiel in der Kreisliga B geleitet, und wurde als erfahrene Schiedsrichterin sexistisch beleidigt.

FC PlayFair!: Das ist heftig. Wie gehst du mit solchen Beleidigungen um?

Karo: Wenn ich das mitbekomme, dann gehe ich, sofern möglich, auf die jeweiligen Leute zu, insbesondere auf dem Dorf-Sportplatz, da kann man sich ja nicht so leicht aus dem Weg gehen. In diesem Fall hat die Person dann die Beleidigung abgestritten. Ich trete den Leuten dann gegenüber und schaue ihnen in die Augen. Die sollen ruhig wissen, dass ich nicht die Frau bin, die sich auf dem Platz hinter ihrer Pfeife versteckt, sondern ihnen auf Augenhöhe begegnet und auch die Stärke hat, ihnen in die Augen zu gucken und zu fragen: „Was soll das? Das ist doch kein normaler Umgang.“

FC PlayFair!: Wie können Schiedsrichter*innen besser geschützt werden und welche Rolle spielen dabei die Verbände?

Karo: Da sollten wir eher im Kleineren anfangen. Es bedarf von Seiten der Vereine mehr Schutz. Zum eben genannten Vorfall: Ich habe mit dem Verein gesprochen, dass da klare Grenzen gesetzt werden müssen und er als Gastgeber gewisse Pflichten hat. Wenn ich z.B. in die Disco gehe, muss ich mich ja auch an die Regeln halten. Da sollte es also klare Verhaltensvorgaben geben. Von Verbandsseite aus gibt es beispielsweise in Baden-Württemberg das Pilotprojekt „Stopp“, um verbale und körperliche Gewalt gegen Schiedsrichterinnen abzuwenden Außerdem bin ich auch für härtere Strafen, insbesondere, wenn jemand gegenüber den Schiris tätlich wird, unabhängig davon, ob verbal oder körperlich. Ich fände es gut, dass nach Ablauf einer Rotsperre eine Spielerin zuerst eine Mindestanzahl an Spielen als Schiedsrichter*in leitet, damit die Person ein Gefühl dafür bekommt, was es bedeutet, Schiri zu sein. Eventuell leitet das einen Umdenkprozess im Verhalten ein.