Von den Profis lernen?

Regelmäßige Aktivitäten zur Nachhaltigkeit gehören seit der Saison 23/24 zu den Lizenzierungskriterien der Vereine der 1. und 2. Fußballbundesliga, soziales Engagement, Hilfe in Not, gelebte Diversität, Positionierung gegen Rassismus sind längst angekommen im Tagesgeschäft der Vereine.

Da stellt sich die Frage: was können Amateurvereine mit ihren deutlich begrenzteren Ressourcen davon lernen? Wie schaffen wir es, dass der Verein, der Vereinssport auch für künftige Generationen noch in etwa so eine Bedeutung hat wie für uns? Und das nicht nur im sportlichen, sondern auch im gesellschaftlichen Bereich.

Wir waren eingeladen, beim Servicetag Sport des WLSB (Württembergischer Landessportbund) zu diesem Thema zu sprechen und haben dabei 7 Learnings vorgestellt, an denen sich Vereine orientieren können. Hier eine gekürzte Version:

Learning 1: „Schritt für Schritt in Richtung Nachhaltigkeit“ – das erste Learning steckt schon im Titel des Vortrags. Es geht nicht darum, vom Start weg einen umfassenden Masterplan in großen Sprüngen umzusetzen, sondern darum, ins Handeln zu kommen. Kein Schritt ist zu klein und jede Aktivität zählt – und jeder startet an einem anderen Punkt, ganz individuell.

Learning 2: Nachhaltigkeit ist vielfältig! Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, kommt vielen zunächst Umweltschutz und Klima in den Sinn. Nachhaltigkeit umfasst aber mehr. Uns ist es immer wichtig, alle 3 Säulen der Nachhaltigkeit in unsere Betrachtungen einzubeziehen. Im Deutschen spricht man meist von Sozialem, Ökologie und Ökonomie, inzwischen hat sich der internationale Begriff ESG weitgehend durchgesetzt, der Inhalt ist der gleiche: Environment – Umwelt, Ökologie, Social – Soziales und Governance – Ökonomie, also hier: Vereinsführung.

Schaut man sich die Aktivitäten der Bundesligavereine an, liegt der Schwerpunkt auf sozialen Aktionen, das sind rund 70%. Vieles ist Charity – Spenden für einen guten Zweck. Viele Aktivitäten werden gar nicht vom Verein selbst organisiert, sondern der Verein gibt die Plattform für Partner. Das können Firmen sein, Mitglieder oder Fans, die sich stark in karitative und soziale Aktionen einbringen. Gesundheit, Ernährung, Bildung und die Teilhabe aller am Sport sind weitere Themen, in denen sich gerade kleinere Vereine engagieren können.

In der Ökologie dreht sich das meiste um das Klima und den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen: Energie, Wärme, Abfall, in letzter Zeit rückt auch das Thema Artenvielfalt in den Vordergrund – für jeden Verein ein interessantes Gebiet.

Über Ökonomie wird eher selten berichtet, für die Zukunftssicherung des Vereins kommt ihr aber große Bedeutung zu. Wie wird der Verein geführt, wird verantwortungsvoll gewirtschaftet? Dazu gehören Themen wie Aufsichtsstrukturen, Whistleblowing, wie stelle ich strukturell im Verein sicher, dass es zu keinem Missbrauch und zu keinen Übergriffen kommen kann.

Learning 3 ist eine frohe Botschaft: Die meisten Vereine sind schon auf dem Weg. Schon erstaunlich, was zusammenkommt, wenn man mal alle Aktivitäten eines Vereins über einen bestimmten Zeitraum aufschreibt. Oft muss man den Vergleich mit einem Profiverein nicht scheuen, obwohl der ein Vielfaches an Umsatz, Mitgliedern und Mitarbeitern hat. Auch bei Proficlubs werden mitunter Aktionen wie „U13 zu Besuch im Tierheim“, „Wir zeigen Schleife am Welt Aids Tag“ oder „Schwimmkurs für 12 Kids“ berichtet.

Learning 4: Nachhaltigkeit ist keine Option! Die meisten Vereine sind von sich aus motiviert, Schritt für Schritt nachhaltiger zu werden. Unabhängig davon bleibt ihnen aber ohnehin keine Wahl. Zu stark ist die Forderung der Stakeholder, dass der Verein seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird. Gesellschaft, Sponsoren, Mitglieder, Kooperationspartner, Kommunen – sie alle haben berechtigte Ansprüche an den Verein. Da ist es am besten, all diese Stakeholder ins Boot zu holen und im gegenseitigen Austausch neue Möglichkeiten zu eröffnen, den Verein weiterzuentwickeln und seine Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Learning 5: Nachhaltigkeit braucht Fokus und Orientierung. Wir haben schon gesehen, wie vielfältig Nachhaltigkeit im Verein gelebt werden kann. Diese gesamte Breite kann ein Verein nicht abdecken. Er muss Bereiche definieren, die zu ihm passen und in denen er etwas bewegen kann. Die meisten Profivereine leiten ihre Handlungsschwerpunkte aus einer Wesentlichkeitsmatrix ab. Die möglichen Themen werden auf den beiden Achsen „Relevanz für den Verein“ und „Relevanz für die Anspruchsgruppen“ eingeordnet, die Themen, die beides Mal hoch bewertet sind, bilden die Schwerpunkte des Nachhaltigkeitskonzepts.

Als Orientierungsrahmen für die Bestimmung der Handlungsfelder dienen oftmals die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN Sustainable Development Goals).

Learning 6: Nachhaltigkeit braucht Ziele. Nachdem die Schwerpunkte des Konzepts definiert sind, sollten konkrete Ziele gesetzt werden, die in einem bestimmten Zeitrahmen erreicht werden sollen. Am besten nach der bewährten „SMART“-Methode: Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert.

Ein Monitoring der Zielerreichung sollte vor allem gut handhabbar gestaltet werden. Selbst Großvereine arbeiten hier mit sehr einfachen Tools und Übersichten.

Learning 7: Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Die wichtigsten Stationen zur Umsetzung sind:

  • Die Vereinsführung erteilt ein Mandat und steht selbst voll hinter dem Thema
  • Verantwortliche Person(en) werden benannt
  • Es bildet sich ein Team, dass möglichst divers besetzt ist und das auch kontroverse Diskussionen führen kann
  • Eine Bestandsaufnahme stellt fest, was bisher schon an Nachhaltigkeitsaktivitäten im Verein läuft
  • Die Stakeholder werden mit ins Boot geholt
  • Eine Wesentlichkeitsanalyse definiert Handlungsfelder und Fokus
  • Ziele werden gesetzt, ihre Erreichung festgestellt, regelmäßig hinterfragt und bei Bedarf revidiert
  • TUN! Und darüber berichten (intern wie extern)

Letztlich ist es wichtig, einen langen Atem zu haben und sich von einzelnen Rückschlägen nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.

Die anschließende Diskussion beim Servicetag Sport des WLSB hat gezeigt, dass man vieles aus dem Vorgehen der Profivereine auch auf Amateurvereine übertragen kann. „Die kochen ja auch nur mit Wasser“ war eine der Rückmeldungen, verbunden mit der Zuversicht, sich auch als kleinerer Verein entschieden im Thema Nachhaltigkeit positionieren zu können und damit zur Attraktivität und Zukunftssicherheit des Vereins beizutragen.