Mit seiner unfassbar großen Strahlkraft hat der Fußball eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung. Der Sport bietet eine große Möglichkeit, Werte zu vermitteln, Botschaften zu verbreiten und Fähigkeiten zu erlernen, die man mit in den Alltag nehmen/integrieren kann. Da ist es umso unerfreulicher, wenn diese Bühne genutzt wird, um Menschen auszugrenzen und zu diskriminieren. Genau davon wurde Nico Salfeld Opfer. Der 26-jährige Lehramtsstudent für Mathematik und Ethik ist seit zwölf Jahren Schiedsrichter im Amateurbereich. Trotz eines Hirninfarkts ist er seinem Hobby nachgegangen und hin und wieder auch ehrenamtlich bei internationalen Jugendturnieren als Schiedsrichter dabei. Genau bei einem dieser Turniere wurde er wegen seiner körperlichen Einschränkung benachteiligt. In diesem Interview spricht er über seine Diskriminierungserfahrungen, den schrumpfenden Respekt für Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter und seine Hoffnungen und Vorschläge an den DFB.
Das Interview führte Tobias Hügerich
FC PlayFair!: Deine körperliche Einschränkung hat Dich nicht daran gehindert, Deinen Weg zu gehen und Deinem Hobby als Schiedsrichter nachzugehen. Genau das ist der richtige Weg. Großen Respekt dafür! Was genau unterscheidet Dich körperlich von anderen Schiedsrichtern?
Nico Salfeld: Aufgrund eines Hirntumors musste ich 2006 operiert werden. Während der Operation habe ich einen Hirninfarkt, im Volksmund Schlaganfall, erlitten. Seitdem habe ich linksseitig eine körperliche Einschränkung. Ich habe eine hängende Schulter und mein Gangbild entspricht nicht ganz dem Gewohnheitsbild anderer Menschen. Also die typischen Symptome nach einem Schlaganfall. Außerdem muss ich an meinem linken Arm eine Schiene tragen und habe mit Spastiken, wie beispielsweise krampfenden Händen und Füßen zu kämpfen.
FC PlayFair!: Kannst Du einmal Deine bisherige Laufbahn als Schiedsrichter skizzieren?
Nico Salfeld: Da selbst Fußball spielen bei mir schwer ist, ich aber trotzdem dem Fußball verbunden bleiben wollte, habe ich mich 2010 dazu entschieden, Schiedsrichter zu werden. In meiner alten Heimat Gelsenkirchen habe ich dann ganz normal damit begonnen, Jugendspiele zu pfeifen und war auch relativ schnell als Schiedsrichterassistent bei Erwachsenen unterwegs. Mit meinem Umzug nach Freiburg habe ich mich dazu entschieden, mich weniger auf meine eigene Laufbahn, sondern vielmehr auf den Jugendbereich zu konzentrieren. Seit drei Jahren bin ich auch Nachwuchsförderer in unserer Gruppe in Freiburg.
FC PlayFair!: Musstest Du seitdem in irgendeiner Form Diskriminierung von irgendeiner Seite hinnehmen?
Nico Salfeld: In den ersten beiden Jahren meiner Laufbahn haben mich vereinzelt Worte wie „Spasti“ oder ähnliches getroffen. Mittlerweile überhöre ich so etwas, da ich Erfahrung hinzugewonnen habe und auch mehr Autorität ausstrahle. Natürlich haben mich die Anfänge auch abgehärtet und man entwickelt ein dickes Fell.
FC PlayFair!: Kommen derartige Anfeindungen von Zuschauerinnen und Zuschauern oder von Spielerinnen und Spielern?
Nico Salfeld: Sowohl als auch. Das waren meistens gleichaltrige, die mich nicht für voll genommen haben. Und von den Zuschauerinnen und Zuschauern kamen Sprüche nach dem Motto: „Ach guck mal, da ist ein kleines Kind, das ein bisschen komisch läuft. Den lassen sie jetzt pfeifen.“
FC PlayFair!: Wie bist Du damit umgegangen, wenn die Anfeindungen von Seiten der Spielerinnen und Spieler gekommen sind? Hast Du alle Dir zur Verfügung stehenden Mittel als Schiedsrichter genutzt?
Nico Salfeld: Bei Spielern habe ich tatsächlich immer direkt reagiert und die rote Karte gezückt.
FC PlayFair!: Wie oft ist das vorgekommen?
Nico Salfeld: Das war vier- oder fünfmal. Also es hielt sich noch in Grenzen.
FC PlayFair!: Und wie war es bei Zuschauerinnen und Zuschauern?
Nico Salfeld: Hier ist man leider immer ein bisschen machtlos gewesen. Da konnte man nicht mehr machen, als den Heimverein darum zu bitten, dass diese mit den Personen sprechen, von denen die unangebrachten Bemerkungen gekommen sind. Bei Spielerinnen und Spielern ist es vor allem im Amateurbereich leichter, sich Respekt zu verschaffen, als bei Zuschauerinnen und Zuschauern. Das ist leider so.