Aufbruchsstimmung beim Fußball der Frauen (?)

Durch die EM in England hat der Fußball der Frauen zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung einen großen Aufschwung erlebt. Endlich haben auch die Frauen die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Nahezu jeder Bundesligaverein hat spätestens in diesem Jahr eine Frauenabteilung gegründet. Doch kommt diese Entwicklung nicht viel zu spät? Sind nur deswegen alle Vorurteile von heute auf morgen verschwunden? Was muss passieren, dass wir den Vorsprung, den beispielsweise England hat, aufholen? Und was müssen Vereine und Verbände verbessern? Sind wir also schon auf einem guten Weg?

Darüber haben wir mit Sarah Roithmeier gesprochen. Sie ist seit 01.07.2022 Koordinatorin Frauenfußball bei der Spielvereinigung Greuther Fürth. Auch vorher hat sie bei „KIM SportsManagement“ junge Persönlichkeiten entwickelt und ihnen auf den Weg ins Sportbusiness geholfen.


FC PlayFair!: Ich spreche zum Einstieg gleich mal ein etwas sensibleres Thema an. Oft hat man ja noch das Klischee im Kopf, dass Fußball eine reine Männerwelt ist. Hattest Du Schwierigkeiten, in der Welt des Fußballs anzukommen?

Sarah: Dafür müssen wir einmal ganz abgesehen vom Beruflichen in meine Kindheit zurückgehen. Ich habe einen Zwillingsbruder und habe in meiner Kindheit eigentlich gefühlt nur Fußball gespielt. Und gefühlt war ich auch bei mir im Verein das einzige Mädchen. Da kann man sich ja schon vorstellen, mit welchen Vorurteilen ich zu kämpfen hatte. Meine Eltern und meine Geschwister haben mich davon manchmal gewarnt. Mit diesen Vorurteilen kämpft man als Mädchen schon relativ lange. Aber ich finde, dass die Vorurteile, dadurch, dass immer mehr Mädchen mit dem Fußball spielen anfangen, immer weniger werden. Wenn man das damit vergleicht, wie es vor 20 Jahren war, als ich mit dem Fußball spielen angefangen habe, ist das klar weniger geworden. Aber Vorurteile gibt es auf jeden Fall.

FCPF!: Kannst Du mir drei Vorurteile nennen, die Du am häufigsten gehört hast?

Sarah: Mädchen sollen nicht Fußball spielen. Das ist so das „Standart-Vorurteil“. Außerdem habe ich auch schon gehört, dass ein Mädchen, welches Fußball spielt, automatisch lesbisch sei. Und das Dritte, was man oft hört ist, dass es als Frau wesentlich leichter sei, in die Bundesliga zu kommen, weil man nicht so viel wie die Jungs tun müsse.

FCPF!: Wie bist Du damit umgegangen? Gehst Du im Vergleich dazu heute anders mit Vorurteilen um oder entwickelt man Methoden, die man dann immer wieder anwendet?

Sarah: Als Kind hat auch oft mein Bruder, mit dem ich länger zusammengespielt habe, denjenigen die so etwas gesagt haben, einen Spruch gedrückt und mich verteidigt. Und auch meine Eltern haben mir immer gesagt, dass es egal sei, was die anderen sagen und ich mein Ding machen solle. Ich hatte einen sehr guten Rückhalt zu Hause und war auch als Kind schon eine relativ starke Persönlichkeit. Und wenn ich heute Vorurteile zu hören bekomme, gehen die bei mir links rein und rechts raus.

Wobei ich sagen muss, dass ich bei uns im Verein gar nicht das Gefühl habe, dass es dort irgendwelche Vorurteile gibt, was Frauen und Männer betrifft. Klar haben wir auch nicht so viele Frauen im Verein. Aber wenn ich den Mädels was mit auf den Weg mitgeben sollte, würde ich auf jeden Fall empfehlen, etwas dagegen zu sagen und es nicht runterzuschlucken.

FCPF!: Bei Dir im Verein hast Du dieses Problem also nicht so sehr. Bekommt man dennoch in der täglichen Arbeit, beispielsweise bei gegnerischen Mannschaften, etwas mit?

Sarah: Vorurteile bekomme ich auch bei Gegnern relativ wenig mit. Ich glaube es geht eher um das Thema Gerechtigkeit. Wie gerecht ist es, wenn man als Frauenmannschaft bei einem wichtigen Spiel auf dem Kunstrasen spielen muss und nicht auf dem „heiligen Rasen“ spielen darf?

Aber Vorurteile bekommt man wenn überhaupt bei den ganz jungen Mädels mit. Ganz selten kommt da mal ein Spruch von außen. Aber da sagen unsere Trainer auch sofort etwas dagegen.

FCPF!: Noch einmal zum Thema Gerechtigkeit. Welche Möglichkeiten hast Du, den von Dir angesprochenen Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken?

Sarah: Es kommt jeweils auf die Vereine an. Ich glaube man muss immer in den Dialog gehen. Also auch in meiner Vergangenheit, jetzt einmal unabhängig von Fürth, weil so lange bin ich noch nicht da, habe ich eben dieses Beispiel mit dem Kunstrasen erlebt. Laut dem Abteilungsleiter sollte der Rasen nicht benutzt werden, da die erste Herrenmannschaft in der nächsten Woche ihr erstes Punktspiel hatte und der Rasen ja im optimalen Zustand sein sollte. Da muss man fragen, warum die Frauen, die in der wesentlich höheren Regionalliga spielen, nicht auf den Rasen dürfen. Und wenn man da in den Dialog geht, dann gehen auch viele darauf ein und ändern etwas. Aber es gibt natürlich auch die, die stur sind und sich nichts sagen lassen und den Fußball der Frauen auch noch nicht akzeptiert haben.

FCPF!: Wir wollen etwas tiefer in die Nachwuchsarbeit eintauchen. Was muss für Dich erfüllt sein, um eine gute Ausbildung für Fußballerinnen und Fußballer zu gewährleisten?

Sarah: Auf der einen Seite muss natürlich auf dem Platz alles stimmen. Das heißt, es muss gut ausgebildete Trainer geben. Es muss auch genügend Trainer geben. Es nutzt nichts, wenn eine Mannschaft nur einen Trainer hat. Zwei oder drei sind auf jeden Fall Pflicht. Und wenn man sich dann anschaut, was man außerdem noch machen sollte, geht es vor allem darum, die Jungs und Mädels in der Entwicklung ihres Charakters und ihrer Persönlichkeit zu unterstützen. Also dass wir die Selbstverantwortung, die jede Spielerin und jeder Spieler an den Tag legen muss, noch ein bisschen besser in die Köpfe bekommen. Und dann geht es natürlich wesentlich um das Thema Schule und Ausbildung. Ich sehe es als Pflicht für die Vereine, sich da auch schlau zu machen und sich zum Beispiel am Ende der Sommerferien einmal die Zeugnisse zeigen zu lassen und immer wieder Gespräche zu diesem Thema zu führen. Und wenn man merkt, das Thema Schule oder Ausbildung, je nachdem welches Alter, funktioniert schleppend und man hat nicht die Möglichkeit, sich neben dem Fußball noch ein Standbein aufzubauen, sollte man sich als Verein überlegen, wie man das unterstützen kann. Das sind Themen, bei denen man sich als Verein aufstellen oder sich auch externe Hilfestellungen holen sollte.