Aufbruchsstimmung beim Fußball der Frauen (?)

FCPF!: Wir wollen noch einmal etwas konkreter über Euer Nachwuchsleistungszentrum sprechen. Ihr habt ja ein ziemlich gutes, wenn man nur einmal darauf schaut, wer bei den Jungs in den letzten Jahren den Sprung zu den Profis geschafft hat. Beispielsweise habt Ihr mit David Raum auch einen deutschen Nationalspieler ausgebildet.

Kannst Du hier zur Einordnung einmal skizzieren, wie groß Euer Nachwuchsleistungszentrum ist, wie viele Mannschaften Ihr habt usw.? Einfach, dass man eine grobe Einordnung bekommt.

Sarah: Grundsätzlich fangen wir bei der U10 an. Pro Jahrgang haben wir dann eine Mannschaft, also U10, U11, U12, U13, U14, U15, U16, U17, dann kommt die U19 und dann die U23. Und dann noch die vier Mädels- und Frauenmannschaften. Also insgesamt 15 Teams. Wobei man sagen muss, dass die Mädchen- und Frauenmannschaften da jetzt erst so richtig eingegliedert werden.

FCPF!: Und welche Möglichkeiten stehen Euch zur Verfügung, die Mädchen und Frauen in das Nachwuchsleistungszentrum einzugliedern? Ist hier auch wieder eine Ungerechtigkeit zu spüren oder unterscheidet sich das im Nachwuchsbereich auch durch die jetzige Aufbruchsstimmung noch einmal?

Sarah: Ich finde man muss hier ein bisschen unterscheiden. Die Jungs spielen ja im Regelfall auf dem höchsten Niveau Fußball. Und die U15 der Mädels spielt beispielsweise bei den Jungs in der Kreisliga. Die U17 der Mädels spielt jetzt in der Bayernliga, also auch schon relativ hoch. Und die U23 und die erste Frauenmannschaft spielen noch Bezirksoberliga bzw. Landesliga mit Ambitionen nach oben. Von vier Mannschaften sind jetzt drei abgestiegen, was bedeutet, dass wir gerade eigentlich noch mehr im Amateursport angesiedelt sind. Natürlich wollen wir auch im Leistungsfußball ankommen, aber wenn jetzt zum Beispiel die U16 der Jungs schon im Leistungsfußball angekommen ist, dann hat die zum einen öfter Training und zum anderen spielen durch den Leistungsfaktor andere Themen auch vermehrt eine Rolle. Somit muss man differenzieren. Ich würde nicht sagen, dass wir zwangsläufig Ungerechtigkeiten haben, sondern dass es einfach angemessen ist, da die Jungs stand jetzt noch auf einem anderen Niveau sind.

Bei uns im Nachwuchsleistungszentrum benutzen wir zum Beispiel auch das System von SAP. Im Regelfall wäre das auch ein enormer Kostenbaustein, wenn man es nur für vier Mannschaften verwenden würde. Das heißt, auch da gibt es keine Ungerechtigkeiten. Da wird in Zukunft genauso gearbeitet wie bei den Jungs. Außerdem stehen uns die Plätze genauso wie den Jungs zur Verfügung. Natürlich sind wir auch ein kleiner Verein, wir hätten gerne insgesamt noch mehr Plätze. Somit trainieren die Mädels teilweise auch beim Trainingszentrum der Profis. Aber auch bei städtischen Anlagen oder bei Partnervereinen.

Also da gibt es meiner Meinung nach nicht unbedingt eine Ungerechtigkeit. Und man muss ja auch dazusagen, dass wir uns gerade noch im Aufbau befinden. Themen, die vielleicht von den Spielerinnen noch als ungerecht wahrgenommen werden, können sich auf jeden Fall noch verändern. Da ist ja gerade erst der Grundstein gelegt. Von daher habe ich das Gefühl, dass wir als Mädels und Frauen komplett akzeptiert werden.

FCPF!: Wenn man sich Statistiken anschaut, fällt auf, dass der Fußball der Frauen ein Nachwuchsproblem hat. Im Vergleich zu 2020 ist ein Rückgang von 15% an Anmeldungen in den Vereinen zu verzeichnen. Was könnt Ihr als Spielvereinigung tun, dass diese Entwicklung aufgehalten wird.

Sarah: Basisförderung. Das ist tatsächlich ein sehr wichtiges Thema, welches wir schon angegangen sind. In unserer U15 sind unsere Mädels zwischen elf und 14 Jahre alt. Also schon eine relativ große Spanne. Und die spielen bei den Jungs in der Liga. Das bedeutet, es gibt für eine U15 Mädels-Mannschaft bei uns im Kreis, ich rede von einer 1-1,5 stündigen Fahrt, keine anderen Mannschaften, gegen die unsere Mädels spielen könnten, weil es zu wenige Mannschaften gibt. Also wir würden nicht genügend Mannschaften für eine Liga zusammenbekommen. Und man muss sich natürlich auch anschauen, auf welchem Niveau man spielen möchte. Deswegen haben wir uns jetzt entschieden, die U13 bei den Jungs mit in die Kreisliga zu nehmen.

Wenn man gar nicht mit gleichaltrigen Mädels in einer Liga spielen kann, dann ist das aus meiner Sicht ein strukturelles Problem. Ich habe auch hin und wieder die Erfahrung gemacht, dass Mädels sich gar nicht trauen, Fußball zu spielen. Wir als Kleeblatt haben uns da einiges überlegt. Einige Projekte sind auch schon gestartet oder starten gerade. Wir gehen jetzt zum Beispiel auch mit unserer Kleeblatt-Fußballwelt in die Grundschulen und veranstalten dort Sportstunden. Darüber motivieren wir auch die Mädels zum Fußballspielen. Auch ich werde in die Grundschulen gehen und zu den Mädels sagen: „Wenn Du Fußball spielen möchtest, dann komm zu uns und spiele meinetwegen einmal pro Woche hier Fußball. Du musst Dich noch nicht zwingend für einen Verein entscheiden. Du kannst einfach hierherkommen und kicken.“ Auch darüber geben wir den Mädels den Raum, überhaupt Fußball spielen zu wollen und zu können. Sich gleich für einen Verein entscheiden zu müssen, ist natürlich auch ein Druck, wenn man noch gar nicht weiß, ob Dir Fußballspielen Spaß macht oder nicht.

Also auch solche Dinge machen wir. Wenn Fußball gespielt wird, sagen die meisten Mädels erst einmal, dass sie keine Lust darauf haben. Das kennt jeder von uns von früher aus dem Sportunterricht. Und das ist immer noch so. Aber manche würden vielleicht auch gerne mitspielen. Da müssen wir mehr Offenheit in der Gesellschaft schaffen. Und das geht nur durch Vorbilder. Das heißt, Spielerinnen und ich gehen in die Schulen und sagen: „Ich bin Teil des Kleeblattes, möchtest Du auch Teil des Kleeblattes werden?“ Außerdem müssen wir natürlich auch Sichtungstage machen und müssen generell mehr zum Fußball der Frauen kommunizieren.

FCPF!: Was konkret muss passieren, dass hier noch mehr gemacht wird?

Sarah: Ich glaube grundsätzlich muss die Priorität beim Verband höher gewichtet werden. Ich glaube, dass dies auf jeden Fall jetzt auch angestoßen wurde. Das dauert, das ist alles ein Prozess. Man kann nicht von heute auf morgen etwas erwarten. Das ist mir auch bewusst. Aber grundsätzlich wäre es wichtig, dass die Verbände mehr kommunizieren und sagen: „Liebe Vereine, wenn Ihr Interesse habt, kommt zu uns. Wir helfen.“ Ich glaube, das fehlt noch ein bisschen. Wenn ich zum Beispiel eine U13 zu uns in den Verein holen möchte und Fragen stelle, auf welches Leistungsniveau ich diese bringen soll, habe ich nicht das Gefühl, dass ich beim Verband gut aufgehoben bin. Und das ist natürlich ein Gefühl, welches nicht wirklich förderlich ist und wodurch man sich vielleicht abgeschreckt fühlt.

FCPF!ir!: Noch einmal der Sprung von der Basisarbeit zur großen EM. Wir haben alle diese Begeisterung erlebt und hatten vielleicht auch etwas oberflächlich das Bild, dass wir jetzt langfristig einen großen Aufschwung erleben. Dabei haben wir auch immer wieder über das englische Modell geredet. Dort wurden die Vereine dazu verpflichtet, eine Frauenabteilung aufzubauen. Wenn man sich jetzt vorstellt, dass wir einen ähnlichen Ansatz in Deutschland vor Jahren in die Wege geleitet hätten. Wären wir dann auf dem gleichen Stand?

Sarah: Ich glaube, dass wir in Deutschland im Vergleich zu England grundsätzlich eine andere Fußballkultur haben. Aber wir sind auf jeden Fall fünf Jahre zu spät. Also das, was die Verbände jetzt machen wollen, hätten wir auch schon vor fünf Jahren machen können. Das ist natürlich aus meiner Sicht immer einfach zu sagen. Aber ich glaube schon, dass es einen Unterschied gibt. Generell wandelt sich ja der Fußball. Also auch bei den Jungs geht es im Nachwuchs nicht stetig steil nach oben. Auch da muss man die Entwicklung beobachten. Wenn man sich anschaut, wie viele Jungs und Mädels vor 20 Jahren Fußball geschaut haben, dann ist das eine generelle gesellschaftliche Entwicklung im Fußball. Sowohl im aktiven als auch im passiven Fußball. Und ich glaube daran muss man sich ein bisschen anpassen. Nichts desto trotz stellt sich natürlich immer die Frage, ob man Vereine zu etwas verpflichten sollte. Natürlich würde ich befürworten, wenn mehr Vereine Frauen- und Mädchenmannschaften gründen würden. Ich habe aber ehrlich gesagt noch keine Meinung, ob es dazu eine Verpflichtung geben muss.

FCPF!: Glaubst Du, es ist realistisch, dass man irgendwann einmal alle Klischees aus der Welt schafft und einsieht, dass Frauen und Männer einfach den gleichen Sport betreiben wollen?

Sarah: Ich hoffe und wünsche es mir. Aber ich glaube nicht daran. Einfach weil das Thema Frauen und Männer in der Gesellschaft, unabhängig vom Sport, schon so verankert ist. Es gibt nur ganz wenige Sportarten, in denen es schon seit Jahren normal ist. Ich glaube, da muss sich noch ganz viel tun, dass das passiert. Vielleicht reden wir da in 20 Jahren noch einmal darüber und es hat sich bis dahin etwas verändert. Aber persönlich glaube ich nicht daran, weil aus meiner Sicht auch im Fußball der Männer ganz viele Dinge nicht richtig laufen.

FCPF!: Das war ein sehr aufschlussreiches und interessantes Interview. Vielen herzlichen Dank!

Sarah: Sehr gerne. Danke Dir!

Das Interview führte Tobias Hügerich.