DFL Lösung zu 50+1? Schade drum.

Vielleicht muss erklärt werden, worin der Vorteil liegt. Proficlubs betreiben unabhängig von ihrer Rechtsform ein volatiles Geschäft. Sie stehen untereinander in hartem Wettbewerb. Ihr Fokus liegt auf der Erhöhung der Spielstärke, nicht auf dem Aufbau von Eigenkapital als Risikopuffer, sprich „Notgroschen“ für schlechte Zeiten. Gehen ihre Pläne nicht auf, fehlt Geld. Frische Mittel können sich die Werksteams leichter und schneller beschaffen als ihre Konkurrenten. Zum einen gibt es in den Konzernen ein „Cash-Pooling“, das ihnen ständigen Zugriff auf Guthaben bietet. Zum anderen gibt es die Ergebnisabführungsverträge, wonach am Ende des Geschäftsjahres der jeweilige Fehlbetrag, oder in Ausnahmefällen ein Überschuss, bei der Mutter abgeliefert wird. Gut gefüllte Konten sind bekanntlich überzeugende Argumente auf dem Spieler- und Transfermarkt und ermöglichen den so bevorteilten Werksmannschaften die regelmäßige Teilnahme an den Clubwettbewerben der UEFA.


Dieser glasklare Vorteil soll durch eine Kürzung der Medienerlöse ausgeglichen werden, die, um zu spoilern, schlicht lachhaft ist. Sie bemisst sich an dem über dem Freibetrag von 7,5 Prozent vom Umsatz verbleibenden Verlustausgleich, der mit aktuell 4,5 Prozent zu verzinsen wäre. Was würde das etwa für den VfL Wolfsburg heißen, dessen Bilanzzahlen der Jahre 2018 bis 2021 von der DFL veröffentlicht wurden? Gesamterträgen von 822 Mio. Euro stehen Aufwendungen von 926 Mio. Euro und somit Verluste von insgesamt 104 Mio Euro gegenüber. Die hat die Volkswagen AG im Zuge der Ergebnisabführung ausgeglichen und als Unternehmen mit hohen Gewinnen so rund 30 Mio. Euro an Ertragssteuern (Körperschafts- und Gewerbesteuer) gespart. Der Vorschlag des DFL-Präsidiums sieht nun vor, dass als Sanktion die Medienerlöse des VfL für jedes Jahr um 235 TEuro gekürzt würden. Die abgezogenen Gelder würde die DFL zur Förderung des Jugendfußballs verwenden.

Dieses Szenario wird, die Prognose sei gewagt, die Chefs von Bayer Leverkusen und des VfL Wolfsburg nicht davon abhalten, weiterhin teure Spieler zu verpflichten. Ganz im Gegenteil. Durch die dem Kartellamt zugesicherte Abschaffung der Ausnahmeregelungen zu 50+1 werden VW und Bayer geschützt vor potentiellen Nachahmern, die mithilfe zahlungskräftiger Eigentümer das Rattenrennen um die Plätze im ersten Tabellendrittel anheizen könnten. Im Saldo profitieren die Werksteams durch die geplante Neuregelung weit mehr als sie nachlassen. Das überrascht nach den ersten Signalen des Kartellamtes. Liegt es daran, dass beide Clubs trotz erheblicher Alimentierung seit 1998 eher mäßig erfolgreich waren und nach subjektivem Eindruck von Amt und DFL die Gewöhnung den Verdruss der Fans und anderen Clubs überlagert? Weit gefehlt jedenfalls, wie der einsetzende Protest über die fortbestehende Privilegierung in den Fankurven oder bei Kind und Ismaik zeigt.

Man sollte aber nicht nur nach Leverkusen und Wolfsburg schauen. Welche Reaktionen sind von Investoren zu erwarten, die engagiert sind oder es beabsichtigen? Man hört viel von internationalen Anlegern mit großen Budgets, die in den Fußball drängen, angeblich auch nach Deutschland. Sie haben zwei Optionen.


Manche werden sich ein Beispiel an dem als GmbH verkleideten Verein in Leipzig nehmen, der trotz des in seiner ersten Einschätzung geäußerten Unbehagens des Kartellamts gar keine Erwähnung mehr in dem Vorschlag der DFL findet. Traut man sich nicht in das Dickicht von Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht? Da lassen sich ein paar Fingerzeige geben. Eine gemeinnützige Körperschaft muss nach der entsprechenden Regelung in § 52 Abgabenordnung unabhängig, offen und fördernd für jedermann sein. Vierstellige Mitgliedsbeiträge sind schädlich. Geeigneter für eine Beurteilung wären vollwertige Rechte aller Mitglieder. In der Satzung des RB Leipzig e.V. wird zwischen fördernden Mitgliedern mit Beiträgen zwischen 100 (bronze) und 1.000 Euro (gold) und ordentlichen Mitgliedern unterschieden. Nur letztere, es sind etwa 20 aus dem Dunstkreis von Red Bull, genießen aktives und passives Wahlrecht sowie Stimm- und Antragsrechte. Der von ihnen bestimmte Vorstand entscheidet über Mitgliedsanträge, eine wirksame Kontrolle dieser Entscheidungen gibt es nicht. Die Fördermitglieder erhalten als Gegenleistung Vergünstigungen, wie sie auch in den anderen Muttervereinen üblich sind, also günstigere Eintrittskarten, Vorkaufsrechte oder exklusive Treffen mit Spielern. Wahl- und Stimmrecht in der Mitgliederversammlung haben sie jedoch nicht. Eine solche Zweiklassengesellschaft widerspricht, dies ließ das Kartellamt im Jahre 2021 anklingen, auch dessen Demokratieverständnis im Hinblick auf gemeinnützige Vereine. Hier bieten sich also Ansatzpunkte auch für politische Akteure und Instanzen, diesen offensichtlichen Missbrauch des Vereins- und Gemeinnützigkeitsrechts durch gesetzliche Präzisierungen zu beenden.

Die zweite Option lässt sich bei Hannover 96 und Hertha BSC beobachten. Investoren kämpfen, zum Teil seit Jahren, mit Vertretern der Muttervereine über Entsenderechte, Quoren und Zuständigkeiten in diversen Gremien. Solange der Geldbedarf eines Clubs finanzielle Abhängigkeit erzeugt, werden Geldgeber Einfluss und Macht ausnutzen. Das ist normal und ihnen kaum vorzuwerfen. Der Kern von 50+1, das Letztbestimmungsrecht der Muttervereine, garantiert durch die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung, wird wie in Hannover heftig umkämpft und wohl auch von der DFL mangelhaft durchgesetzt bleiben. Der auf dem Tisch liegende Vorschlag zur Beendigung der Diskussionen um 50+1 taugt leider nicht, um (Rechts-)Frieden zu stiften. Schade drum.


Über den Autor: Christian Müller ist Dozent und Autor für Sportmanagement. Von 2001 bis 2010 war er Geschäftsführer für Finanzen und Lizenzierung bei der DFL. Als Vertreter des deutschen Fußballs in der Clublizenzierungskommission der UEFA war er federführend beteiligt an der Entwicklung des Financial Fair Play-Konzepts. Sein wissenschaftlicher Fokus gilt dem Wettrüsten der Clubs und der Integrität des Wettbewerbs.