Interview mit Karoline Wacker

FC PlayFair!: Kommen wir nochmal auf unsere Studie zurück. Fast 70% der Befragten empfinden den Profi-Fußball nicht als gutes Vorbild für den Umgang mit Schiedsrichter*innen. Wie schätzt du die Rolle des Profi-Bereichs als Vorbild ein?

Karo: Grundsätzlich stimme ich zu, dass der Profi-Fußball immer ein Vorbild ist. Das, was im Profi-Fußball geduldet oder nicht konsequent geahndet wird, kommt mit einer gewissen Verzögerung unten an. Wenn wir zum Beispiel das Spiel Bayer Leverkusen gegen Bayern München anschauen, als zwei Mal eine Schwalbe gegen den Leverkusener Adli gepfiffen wurde und beides Mal nach VAR-Eingriff die Entscheidung auf Strafstoß korrigiert wird, gibt es danach ein total freundliches Abklatschen zwischen Schiri und Spieler.

FC PlayFair!: Jetzt hast Du gerade ein positives Beispiel genannt. Es gibt aber auch zahlreiche negative Beispiele. Nehmen wir solche negativen Beispiele eher im Männerfußball wahr, weil dieser mehr im medialen Fokus steht oder ist das im Frauenfußball tatsächlich weniger ein Thema?

Karo: Rudelbildungen sind zum Beispiel absolut untypisch für den Frauenfußball. Die gibt es ganz selten. Insgesamt ist der Umgang im Frauenfußball fairer. Natürlich gibt es auch da Ausnahmen. Spielerinnen und Schiedsrichterinnen begegnen sich auf Augenhöhe und alle arbeiten gemeinsam daran, den Frauenfußball nach vorne zu bringen und zu verbessern.

FC PlayFair!: Die von Dir angesprochene Fairness kann man auch in Zahlen messen. Schauen wir mal auf die abgelaufene Saison 2021/2022. Den letzten Platz in der Fairnesstabelle der Frauen belegte Werder Bremen mit 43 gelben Karten. Das wäre zum Stichtagsvergleich (22. Spieltag) in der Bundesliga der Männer tatsächlich der erste Platz vor Eintracht Frankfurt mit 45 Punkten gewesen. Wie kommt es zu so einem großen Unterschied?

Karo: Meine Wahrnehmung ist, dass es weniger brutale Fouls im Frauenfußball gibt, sondern eher die taktischen Fouls. Dennoch werden die Zweikämpfe natürlich robust geführt, aber oft im Rahmen des gerade noch zulässigen.

FC PlayFair!: Seit der Saison 2017/2018 gibt es in der 1. Bundesliga technische Unterstützung durch den VAR. Inwieweit stärkt der VAR den Schiedsrichtern den Rücken in ihren Entscheidungen?

Karo: Wenn der VAR richtig angewendet wird und die Entscheidung danach richtig ist, ist es unfassbar wichtig und hilfreich. Insbesondere, wenn wir uns nochmal das Beispiel zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen angucken: Wenn der VAR nicht gewesen wäre, wäre das Spiel anders ausgegangen und der Spieler wäre unter Umständen mit gelb-rot vom Platz geflogen. Dennoch sind wir alle Menschen und wir machen Fehler. Der VAR wird als Lösung aller Probleme dargestellt, aber es können damit nicht alle Probleme gelöst werden, da Fehler nun mal menschlich sind.

FC PlayFair!: Wäre der VAR eine sinnvolle Einführung für die Frauenbundesliga?

Karo: Im Sinne der Fairness ist der Video-Schiedsrichter unglaublich gut. In der Frauenbundesliga haben wir bisher allerdings noch ein Problem mit den Kameraeinstellungen. Mit den aktuell zur Verfügung stehenden technischen Mitteln kann bezweifelt werden, ob wir mit einem VAR tatsächlich eine Verbesserung in der Entscheidungsqualität erzielen.

FC PlayFair!: Du hast aus einer Not eine Tugend gemacht. Deine erste Partie hast du geleitet, weil keine Schiedsrichterinnen zur Verfügung standen. Wie schätzt du den aktuellen Schiedsrichterinnen-Mangel ein?

Karo: Das ist ein omnipräsentes Thema. Wir haben definitiv eine Nachwuchsproblematik. Die haben wir aber auch in anderen Sportarten. Auch bei den Fußballern und Fußballerinnen mangelt es an Nachwuchs, so dass Vereine z.B. Spielgemeinschaften aus mehreren Vereinen gründen müssen, weil es in einem Verein nicht mehr haltbar ist.

FC PlayFair!: Was schreckt junge Leute ab, als Schiedsrichter*in tätig zu werden?

Karo: Das ist eine interessante Frage. Ich könnte mir vorstellen, dass da verschiedene Argumente zusammenkommen. Möchte ich diese Verbindlichkeit und Verantwortung auf mich nehmen? Bekomme ich von zu Hause die Unterstützung, um zu den Spielen und Fortbildungen zu kommen? Zusätzlich dazu muss ich regelmäßig Spielaufträge annehmen, die auch einiges an Zeit in Anspruch nehmen. Da kommen einige Dinge zusammen. Aber auch Anfeindungen an Schiedsrichter oder verbale Kritik, das kommt auch bei den Jugendlichen an. Ich fände es total schade, wenn das junge Leute davon abhält, Schiedsrichter*in zu werden.

FC PlayFair!: Wenn du ein Plädoyer für die Tätigkeit als Schiedsrichter*in halten müsstest, was würdest du sagen?

Karo: Die Schiritätigkeit ist so eine wertvolle Persönlichkeitsschulung. Du lernst Verantwortungsbewusstsein, Pünktlichkeit, Konsequenz, Kritikfähigkeit- du lernst so vieles für das Leben. Du bist Teil vom Fußball. Du bekommst Geld dafür. Du kannst umsonst in alle Stadien in ganz Deutschland. Deshalb finde ich es so schade, dass die wenigen negativen Dinge Neulinge oft abschrecken. Bei der Aktion vom DFB „Danke Schiri!“ habe ich von vielen Menschen, die geehrt wurden, gehört, dass sie sich als Mensch weiterentwickelt haben und viel besser gegenüber Leuten auftreten können. Das ist so toll, dass gerade junge Leute diese Persönlichkeitsentwicklung wahrnehmen. Also an alle, die gerne mal als Schiedsrichter*in tätig sein wollen: Probiert es einfach aus. Macht euch ein eigenes Bild und bleibt dran, wenn ihr Spaß daran habt!

FC PlayFair!: Vielen Dank Karo, für deine Antworten und dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!